von Martin Kaucher, 5. Klasse, Humboldtschule
Einst, in irgendeiner Welt, herrschte ewige Dunkelheit. Farben wie himmelblau, apfelgrün oder zitronengelb waren den Bewohner nicht bekannt. Nun mag man wohl sagen, die armen Menschen, die dort leben. Doch diese Menschen kannten gar nicht anderes. Von Himmelkörpern wie etwa die Sonne, der Mond oder Sternen, gab es nur Geschichten, Märchen, Mythen. Es gab zwar Lampen, aber die leuchteten nicht richtig, sie blendeten die Menschen. Ziemlich mittig zwischen den hohen Berg und dem nördlichen Meer, vor einer kleinen Gebirgskette lag eine Stadt, mittendrin eine Burg mit einem Turm. In eben dieser Stadt sollte irgendwann ein Kind geboren werden, welchem etwas fehlte. Etwas, was es gar nicht gab, was es gar nicht kennen konnte. Es sehnte sich nach Licht, Farbe, Schönheit. Doch die Leute wussten nicht, was sie von diesen Träumen halten sollten. „So wie es ist, ist alles gut!“, schnauzte die Großmutter ihre Enkelin immer wieder an. Sie verstand es nicht, sie alle verstanden es nicht, sie alle verstanden sie nicht. Sie dachten sie wäre krank und ignorierten sie einfach oder sie regten sich über sie auf wie ihre Großmutter.
So wuchs das Mädchen einsam auf, doch Einsamkeit lässt Fantasie entstehen. In Gedanken begann das Mädchen mit Farben, Licht, Schatten zu spielen. Sie ließ Gemälde, Bilder, ganze Welten in ihrem Kopf entstehen. Doch irgendwann glaubten die Menschen, dass sie vom Teufel beseelt wäre. Sie begannen sie zu fürchten. Bis sie schließlich verhaftet wurde. Doch das bekam sie kaum mit, denn sie war in ihrem Kopf. Dort waren die Orte, wo sie wirklich leben wollte. Plötzlich aber, zu irgendeinem Zeitpunkt, wachte sie in der realen Welt auf. Sie lag in einer Zelle. Was hatte sie geweckt? Im Traum war es etwas Magisches gewesen, etwas Leuchtendes. In der Wirklichkeit war es ein jaulender Hund. Er lag vor dem Gitter und wahrscheinlich konnte er nicht schlafen. Das Mädchen hatte Mitleid und begann ihn zu streicheln. Am Anfang nahm sie es nicht wahr, doch mit der Zeit bemerkte sie es: Sie hatte begonnen, dem Hund von ihren Träumen zu erzählen. Und bei igh wirkte es, er war leise und hörte ihr zu. Er schien sie zu verstehen. Manchmal sind die Tiere dem Menschen weit voraus, dachte sie. Dies sollte ihr auch wenig später bewiesen werden, denn der Hund brachte ihr eines Abends einen Schlüssel vorbei, nicht irgendein Schlüssel, sondern einen passenden! Auch wenn es ihr egal war, ging sie aus ihrem Gefängnis hinaus und streichelte den Hund. Dann irrten die beiden ohne jegliche Orientierung durch die Burg. Wie durch ein Wunder wurden sie nicht entdeckt. Eines Tages kamen sie in den Turm, er war verstaubt, schon lange traute sich niemand mehr in ihn hinein, wegen einer alten Sage. Doch das interessierte weder den Hund noch das Mädchen. Sie gingen hinein und ganz nach oben, wo sie in eine Art Büro kamen. An den Wänden konnten sie Regale gefüllt mit staubigen Büchern ertasten und in der Mitte stand ein Schreibtisch, auf welchen mittendrauf ein besonders großes, altes Buch lag. Es war aufgeschlagen. Das Mädchen fand außerdem Stifte auf dem Tisch liegen. Ohne weiter nachzudenken, schrieb sie drei Wörter in das Buch, die sich in ihrem Kopf festgesetzt hatten: Licht, Farbe, Glück. Auf das, was dann geschah, wurde sie erst durch ihren vierbeinigen Freund aufmerksam, denn dieser begann plötzlich zu bellen. Sie schaute auf, etwas Warmes kitzelte sie am Nacken. Sie drehte sich um, etwas Helles ließ ihre Augen blinzeln. Sie lächelte, dass „Etwas“ machte sie glücklich. Sie sprang eine Runde durch den Raum, welcher währenddessen langsam Farbe annahm. Doch schon bald setzte sie sich wieder an den Tisch, sie nahm die unterschiedlichsten Stifte und begann zu schreiben, zu malen, zu singen, zu dichten. Sie versuchte Träume zu verwirklichen und es funktionierte! Ihrer Treuer Begleiter sprang neben sie auf den Tisch und schaute ihr zu. Schon jetzt wusste sie, dass sie diesen Raum niemals verlassen würde können. Denn das, was sie tun muss, würde sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber das war nicht schlimm, sie war ja nun glücklich und sie hatte einen guten Freund an ihrer Seite.
Unten in der Stadt, auf den Marktplatz, zeigte ein kleiner Junge auf die Burg. Erst folgte nur seine Mutter seinem Blick, doch dann nach und nach alle. Und jeder, der es sah erstarrte und konnte seinen Blick nicht mehr abwenden. Zunächst begann nur der Turm zu leuchten, in einer Farbe, die unbeschreiblich hell war. Dann stiegen gelbe Punkten aus der Spitze auf. Sie flogen hoch zum Himmel, wo sie sich ihren Platz suchten und die Dunkelheit verdrängten. Zuerst nur wenige, dann immer mehr Schneeflocken fielen vom Himmel. Und dann bekam alles seine Farbe. Die Menschen zeigten lachend aufeinander und umarmten sich gegenseitig, sie waren blinde, die nun sehen konnten und sie sahen, an was sie für einen schönen Ort sie die ganze Zeit gelebt hatten. Einen Ort, der nun in einer winterlichen und festlichen Pracht erstrahlte. Wem sie dies verdankten, sollten sie nie erfahren. Aber das war der Person egal, entscheidend war nur das Glück, was nun herrschte in jener Stadt. Auch noch heute gibt es etwas verblasste Ebenbilder, die an diese Stadt an erinnern …
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